Nun bin ich schon (seit Mitte August) fast einen Monat in Brasilien. Ich habe das Gefühl, dass dieser Schritt eben hierhin zu gehen der absolut richtige war, denn ich nehme die sogenannte „Horizonterweiterung“ bereits jetzt schon wahr. In meiner Gastfamilie fühle ich mich sehr wohl und auch die Arbeit in meiner Einrichtung macht mir Spaß.

Ich arbeite mit Kindern im Alter von sechs bis neun Jahren, die, ergänzend zur Schule, in unserer Einrichtung ihre Persönlichkeit anhand von künstlerischen, musikalischen oder sportlichen Aktivitäten entfalten sollen. Ich selbst werde demnächst im Zuge des interkukturellen Austauschs Deutschunterricht geben und wahrscheinlich auch Karate anbieten.

Man darf nicht vergessen, dass die meisten Kinder hier eher einen einfachen Hintergrund haben und ich selbst auch in einem Viertel wohne, in dem die Menschen eher wenig ihr Eigentum nennen. Auch wenn die Menschen hier nicht sehr viel besitzen, so wirken sie doch stets glücklich. Auch die Offenheit der Brasilianer beeindruckt mich und ich denke, dass sich die Deutschen eine Scheibe davon abschneiden könnten.

Abseits der Arbeit bin ich dabei die Metropole São Paulo zu entdecken, was angesichts des überwältigenden Kultur- und Freizeitangebots der Stadt noch eine Weile dauern wird. Mehr Informationen gibt es auch auf meinem Blog: http://tomnobrasil.jimdo.com/

Außerdem möchte ich mich noch einmal ganz herzlich für die finanzielle, aber auch ideelle Unterstützung bedanken.

Liebe Grüße

Tom Sprenger

Hier geht es zum zweiten Bericht

Bom dia,

nach fünf Monaten in Brasilien muss ich sagen, dass ich mich ein wenig in das Land verliebt habe. Neben der Artenvielfalt in der Pflanzen- und Tierwelt ist das Volk so unglaublich lebensfreudig. Es mag sein, dass ich dies auch schon in meinen vorherigen Berichten erwähnt habe, aber es ist wirklich immer wieder beeindruckend.

Zu meiner Arbeit bei Acorde: Ich werde noch immer morgens mit Umarmungen empfangen – das heißt zunächst, dass ich wohl nicht alles falsch mache. Nein, Spaß beiseite. Die Tatsache, dass wir Erzieher hier wie eine Familie für die Kinder sind, stimmt mich, wenn ich die oftmals traurigen familiären Hintergründe mit einbeziehe, sehr nachdenklich und melancholisch. Daher ist mir auch bewusst geworden, was es bedeutet, ein geordnetes Familienleben zu haben, fernab von Drogenkonsum und Kriminalität.

Ein anderes Thema: Den Deutschunterricht musste ich ein wenig an die Interessen der Kinder anpassen. So gebe ich keinen Frontalunterricht mehr, wie ich ihn aus meiner glorreichen Schulzeit kenne, sondern gestalte das Ganze eher spielerisch. Die Kinder kennen zum Beispiel die Vokabeln „Oma“ und „Opa“, die sich ja relativ lustig anhören und demzufolge einfach zu merken sind. Oder sie wissen, dass der Käfer (Auto) in meiner Heimatstadt Wolfsburg gebaut wurde.

Des Weiteren liegt mein Augenmerk in meiner täglichen Arbeit darauf, die Kinder zu einem respektvollen Umgang zu erziehen. Sich für das Zu-Spät-Kommen entschuldigen, anständig bei Tisch zu essen oder Streit untereinander nicht mit Gewalt, sondern friedvoll mit Worten zu lösen, sind Sachen, an denen ich Tag für Tag zusammen mit meiner Kollegin arbeite. Ich bin voller Hoffnung, dass die Kinder später mal ein besseres Leben haben werden und nicht in Drogenkonsum, Alkoholismus und Kriminalität enden.

Abseits meiner Arbeit habe ich dank des angesparten Geldes auch ein wenig Zeit zu reisen. So war ich im November in Florianópolis und in Rio de Janeiro, eine der schönsten Städte, die ich bisher gesehen habe und in der 2016 die Olympischen Spiele stattfinden werden. Außerdem habe ich im Januar die schöne Nordostküste Brasiliens bereist.

Ich genieße meine Zeit hier sehr. So hat, obwohl ich erst fünf Monate hier bin, im Unterbewusstsein schon der Countdown angefangen: Nur noch sieben Monate. Im Übrigen war es schwierig für mich bei 35 Grad Celsius eine Art Vorweihnachtsstimmung zu fühlen. Die Weihnachtsmärkte und die Adventskalender haben mir jedoch schon ein wenig gefehlt.

Wolfsburg ist hier in São Paulo übrigens gar nicht so unbekannt, weil ja Wolfsburgs Fußballmannschaft mit zahlreichen Brasilianern bestückt ist und darüber hinaus Grafite in São Paulo gespielt hat. Und dass der VfL Wolfsburg ein Fanproblem haben soll, kann ich, nachdem ich einen älteren, einheimischen Sonnenbrillenverkäufer mit einem VfL-Trikot am Strand an der Nordostküste gesehen habe, auch nicht mehr glauben.

In diesem Sinne liebe Grüße in die Heimat.

Tom Sprenger

 

Hier berichtet Tom Sprenger von seinen neuesten Erfahrungen (11. April 2016)

 

Liebe Unterstützer,

Im Folgenden wieder ein paar Worte zu meinem Auslandsaufenthalt. 

 

Das letzte Drittel

Bom dia! Seit Weihnachten ist viel Zeit ins Land gestrichen und auch hier hat sich eine Menge getan. Nachdem ich nach einer ausgedehnten Reise ins Amazonasgebiet und in den schönen Nordosten Brasiliens zurückgekommen bin, dachte ich, dass es jetzt aber so richtig losgeht, denn ich kam immerhin mit vollem Akku und neuen Ideen zurück. Dem war jedoch nicht so, denn Karneval stand vor der Tür. Erst danach würde das Jahr hier in Brasilien so wirklich anfangen, sagte man mir.

Als Nicht-Rheinländer hatte ich, bis auf die Verkleidung im Grundschulalter als Polizist oder Cowboy, damit nicht viel am Hut. Doch Karneval ist fuer die Brasilianer wie Weihnachten und Ostern zusammen. Mit meiner Einrichtung bin ich zu einem riesigen Karnevalsumzug nach São Paulo gefahren. Es ist beeindruckend, wie der Brasilianer den Karneval lebt. Mit den ganzen Kostümen, Tänzen, Masken und ganz viel Samba erfüllt er wohl fast die Klischee-Vorstellung des Deutschen von einem Brasilianer. Ich war übrigens in einem kleinen Umzug in „Embu das Artes“ mittendrin, als ich meine Trommelkünste und mein Taktgefuehl aus alten Zeiten im Spielmannszug auspacken durfte. Dieses Gefühl werde ich wohl nicht so schnell vergessen.

Mitte Februar war jedoch die Karnevalszeit vorbei und mit viel Ruhe und Gelassenheit hat dann auch das brasilianische Jahr angefangen. Mit neuen Aufgaben bestückt, bin ich nun zum Beispiel allein verantwortlich für die Gruppe, mit der ich einmal pro Woche an die Privatschule fahre. Mit anthroposophischen Ansätzen möchte ich versuchen, ihre Persönlichkeit entfalten zu lassen und ihnen darüber hinaus Werte wie Ehrlichkeit und Nächstenliebe zu vermitteln. Das ist ziemlich herausfordernd mit verhaltensauffälligen Jugendlichen, aber man erntet ja was man säht.

Darüber hinaus biete ich den Deutschunterricht anstatt für die Kleinen, denen ich jetzt Sportunterricht gebe (Brennball ist der Hit), für Jugendliche an, weil ich der Hoffnung bin, dass auch irgendwann einmal einer unserer Schüler für einen Freiwilligendienst nach Deutschland gehen kann. Leider sind die Hürden für die Brasilianer viel höher, um nach Deutschland zu kommen, als andersherum. So müssen sie zum Beispiel als Voraussetzung ein Grundniveau der deutschen Sprache nachweisen. Da ich aber weiß, wie sehr eine Auslandserfahrung den persoenlichen Horizont erweitert, liegt mir dieser Deutschunterricht für eventuelle brasilianische Freiwillige in Deutschland besonders am Herzen.

„In Brasilien bringt der Osterhase übrigens keine Hühner- sondern Schokoladeneier“

Zu Ostern kamen meine Eltern und meine Schwester zu Besuch. Nachdem das Heimweh und die Sehnsucht ein bisschen gelindert waren, sind wir unter anderem zu den Wasserfällen von Iguaçú gefahren. Wichtiger aber war mir, dass meine Familie ein Gefühl für den hier bescheidenen Lebensstil entwickelt und sieht, dass die Probleme vieler Deutschen eigentlich Luxusprobleme sind. Mit meiner Schwester habe ich bei Acorde Ostereier bemalt. Übrigens bringt der brasilianische Osterhase Schokoladen- anstatt Hühnereier.

„Ich spüre schon Gelüste nach Bratkartoffeln, Schweinshaxe oder Sauerkraut“

Außerdem habe ich geplant, mich ab und zu in die Küche meiner Einrichtung zu verirren, um ein paar deutsche Gerichte zu kochen, die ich schon ein wenig vermisse. Ich hätte das niemals gedacht, aber ich verspüre schon Gelüste nach Bratkartoffeln, Schweinshaxe oder Sauerkraut. Auf der einen Seite ist meine Motivation ziemlich groß, Veränderungen zu bewirken, weil ich jetzt konkrete Projekte vor Augen habe.

Auf der anderen Seite freue ich mich schon, wenn ich mich einfach auf´s Fahrrad setzen kann, um ins Freibad zu fahren oder am Kanal laufen zu gehen, so wie ich es sonst immer getan habe.

Liebe Grüße aus Brasilien

Euer Tom